Das Hofspielhaus hat am 5. November 2020 mit Hilfe einer Münchner Kanzlei Klage gegen die Theaterschließung im Rahmen der aktuellen Corona-Maßnahmen erhoben. Christiane Brammer, Intendantin und Leiterin des Theaters, stand uns für ein schriftliche Interview zur Verfügung.
Frau Brammer, Sie haben heute mit Hilfe einer Münchner Kanzlei Klage gegen die Theaterschließung eingereicht. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Die untragbare Situation. In vielen anderen Bereichen gibt es Ausnahmeregelungen – Theater hingegen sind ohne Wenn und Aber pauschal geschlossen, mögen sie auch noch so viele Vorkehrungen zum Infektionsschutz getroffen haben. Das Hofspielhaus zum Beispiel hat mit dem Virologen Dr. Fritz Tiller ein umfassendes Hygienekonzept ausgearbeitet und stetig fortentwickelt. Sie sehen, wir nehmen Corona sehr ernst, haben keine Tendenz, es zu verharmlosen. Wer sich einmal das Gedränge, das dieser Tage in den Apple-Läden herrscht, angesehen hat, kann die Ungleichbehandlung mit Händen greifen.
Die bayerische Staatsregierung begründet die Schließung der Kultureinrichtungen mit einem diffusen Infektionsgeschehen. Bis zu 75 % der Ansteckungen sind laut Politik nicht nachvollziehbar. Sie gehen davon aus, dass die Kunst nicht nennenswert zum Infektionsgeschehen beigetragen kann. Können Sie ausschließen, dass es im Hofspielhaus zu Ansteckungen gekommen ist?
Alle Eintrittskarten wurden personalisiert ausgegeben, was die Rückverfolgung ermöglichte. Es gab keine einzige Rückmeldung, von welcher Seite auch immer, dass eine Ansteckung erfolgt wäre. Auch bei den Künstlerinnen und Mitarbeiterinnen ist im Hofspielhaus kein Fall aufgetreten. Unsere Vorsichtsmaßnahmen waren freilich auch sehr weitreichend, bis hin zur drastischen Reduzierung der Zuschauerzahlen auf 20 bis 25 Personen. Ganz allgemein lässt sich feststellen, was der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube schrieb: „Anhaltspunkte dafür, dass die Kunst stark zum Infektionsgeschehen beigetragen hat, gibt es nicht.“ Kaube hielt auch fest: Die Kultur hat keine Lobby und gehört dadurch zwangsläufig zur Gruppe derer, die geschlossen werden.
Die betroffenen Branchen werden mit bis zu 75% des Umsatzes aus dem November 2019 entschädigt. Ist diese finanzielle Unterstützung nicht ausreichend, um ihren Kulturbetrieb aufrecht zu halten? Oder gibt es weitere Gründe, die Sie zur Klage bewegt haben?
Unser Antrag stützt sich nicht auf die finanziellen Folgen, sondern auf die Grundrechte, insbesondere die Freiheit der Kunst, die in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes gewährleistet ist. Auch geht es nicht um eine „Branche“ und nur wenig um einen mehr oder weniger abstrakten Begriff – Kunst –, sondern ganz konkret um die Künstler und Künstlerinnen und um das Publikum.
Wie sehen Sie die Chancen für einen Fortbestand der freien Bühnen und Theater?
Im schlimmsten Fall kommt der Theaterbesuch aus der Übung, wir werden vergessen. Und da geht es nicht nur um die freien Theater. Dass wir vernehmlich auf die Kunstfreiheit pochen, kann auch gegen ein sang- und klangloses Verschwinden helfen. Klage gegen Corona-Maßnahmen