
Es ist ein neuer Ton, der durch München zieht: Die Stadt sucht erstmals offiziell den Soundtrack für das Oktoberfest – „A Liad für’d Wiesn“ heißt der Wettbewerb, der nicht nur musikalisch mitreden lässt, sondern auch gesellschaftliche Fragen aufwirft. 115 Lieder wurden eingereicht, acht davon haben es in die Endrunde geschafft. Das Voting läuft bis 16. Juli auf der offiziellen Seite oktoberfest-musikwettbewerb.de, das Interesse ist groß, die Resonanz vielstimmig. Und doch liegt ein Schatten über diesem Wettbewerb: Unter den acht Finalacts ist keine einzige Frau vertreten. Weder in der Auswahljury noch unter den Interpreten findet sich eine weibliche Stimme – ein Umstand, der längst nicht nur in den Kommentarspalten kritisch diskutiert wird.
Während die Stadt von kultureller Verwurzelung und musikalischer Identität spricht, stellt sich die Frage: Wer darf eigentlich diese Identität mitgestalten? Der Wettbewerb, von der Stadt mit besten Absichten ins Leben gerufen, trägt Züge des Ausschlusses. Das mag unbeabsichtigt sein, ist aber nicht folgenlos. Denn ein Volksfest, das sich offen, bunt und integrativ geben will, sollte auch auf der Bühne widerspiegeln, was das Publikum längst lebt: Vielfalt in allen Stimmen.
Mitten in diesem Spannungsfeld sorgt die Band Dis M für den vielleicht überzeugendsten Moment des Wettbewerbs. Ihr Beitrag ist nicht nur musikalisch eingängig, sondern zeigt, dass moderne bayerische Musik längst jenseits von Klischee und Bierzelt-Parole angekommen ist. Dis M verbinden Spielfreude mit Haltung, Handwerk mit Witz – und treffen damit exakt den Ton, den ein neuer Wiesn-Song braucht. Wenn einer dieser Beiträge das Zeug zum echten Festzelt-Klassiker hat, dann dieser. Ihre Mischung aus Traditionsklang und Zeitgeist, aus Dialekt und Dynamik macht sie zu einer Band, die nicht nur zum Mitsingen einlädt, sondern mitreißt.
Umso schwerer wiegt die Abwesenheit weiblicher Stimmen im Wettbewerb. Denn entgegen mancher Annahme: Es gibt sie, die bayerischen Musikerinnen – und sie zeigen eine beeindruckende Bandbreite, die vom bairischen Mundart-Rap über Volksmusik bis hin zum Schlager reicht. Da wäre etwa RiA Reiser, die mit klugem Beat und feiner Ironie den bairischen Rap in neue Bahnen lenkt. Oder Karin Rabhansl, deren Lieder zwischen Punk, Blues und bairischem Dialekt changieren und deren Bühnenpräsenz jedes Festival belebt. Emmi Lemberg und TAMMY stehen für eine selbstbewusste Interpretation des Mundart-Schlagers – eingängig, laut und auf ihre Weise empowernd. Und dann gibt es Stimmen wie die von Leniliciouz, die zwar nicht ausschließlich im Dialekt rappt, aber als Münchner Künstlerin klare Zeichen für Diversität und Sichtbarkeit im Musikbetrieb setzt.
Sie alle beweisen, dass bayerische Musik schon längst weiblich ist – auch wenn sie in diesem Wettbewerb außen vor bleibt.
Der Wettbewerb ist eine Chance, die Wiesn musikalisch weiterzudenken. Er könnte Ort des Aufbruchs sein, nicht nur des Einheizens. Und er bietet eine Gelegenheit, Stimmen zu stärken, die bislang zu selten gehört werden. Das Voting läuft – und mit ihm die Frage: Welche Art von Fest wollen wir feiern?
Was meinst Du?
Feierst Du den Wettbewerb oder fehlt Dir etwas Entscheidendes auf der Bühne? Wer sollte Deiner Meinung nach beim Wiesn-Hit ganz vorne stehen? Schreib es in die Kommentare – denn jede Stimme zählt.


…absolut auf den Punkt getroffen! Leider ist der „Kulturausschuss“ der Stadt München mittlerweile schwer in Jahre gekommen. Eine Generalsanierung des selbigen stünde ihm gut.